Mit Know-How gegen Zoff: Mediation

In manchen Lexika steht zwar noch, „Mediation“ sei eine veraltete Bezeichnung für die Tätigkeit eines Vermittlers – in Wirklichkeit aber ist Mediation hoch aktuell. Dieses außergerichtliche Einigungsverfahren, das in vielen Kulturen eine Jahrhunderte lange Tradition besitzt, gibt es seit einigen Jahren nun auch in Deutschland.

Ob sich zwei Unternehmen nicht einigen können, wer die Folgekosten für eine verspätete oder beschädigte Lieferung zu tragen hat, ob Herr Maier und Frau Müller, geschiedene Maier, immer wieder in Streit geraten, wenn es um das Abholen und Zurückbringen der gemeinsamen Kinder geht, oder ob Familie Kräuter mit
Nachbar Säuberlich im Clinch liegt ‒ in allen diesen und vielen anderen Konflikten bieten Mediatoren ‒ professionelle Vermittler – ihre Hilfe an.

Der Gang zum Vermittler setzt eigentlich nur eines voraus – was allerdings für manche schon zu viel ist: Die Einsicht, dass eine Fortsetzung des Streits sinnlos ist, weil er Zeit, Nerven und viel Kraft vergeudet. Wie viele ehemals gute verwandtschaftliche Beziehungen sind schon zerstört worden, weil man sich nicht über die Erbschaft von Tante Agathe einigen konnte? Wie viele Streitereien gipfeln in körperlichen Auseinandersetzungen, weil man es nicht schafft, miteinander zu reden? Wie viel Geld wird in Gerichtsverfahren gesteckt, bei denen oft genau das Gegenteil vom erhofften Resultat herauskommt?

Was tut nun der Mediator, wenn zwei Streitparteien immerhin so viel Einigkeit beweisen, dass sie bereit sind, sich an einen Tisch zu setzen?

Er wird zunächst beide Seiten bitten, genau darzulegen, wie sie den Konflikt sehen. Diese meist von Vorwürfen, Unterstellungen oder Schuldzuweisungen gespickten Berichte wird er dann Stück für Stück mit beiden Kontrahenten durchgehen. Dabei steht jedoch nicht die Frage nach Wahrheit oder Schuld im Vordergrund. Vielmehr fordert der Mediator beide Seiten dazu auf, sich stets auf die eigenen Interessen und Bedürfnisse zu besinnen.

Sie sollen erklären, woran ihnen gelegen ist, wenn sie in die Zukunft blicken.
Beispielsweise steht vielleicht hinter dem Beharren auf einer Kostenübernahme durch den Lieferanten die Angst, wenn man nachgebe, werde der sich beim nächsten Geschäft noch weniger um Pünktlichkeit bemühen. Oder Frau Müller hat das Gefühl, ihr Ex verfüge nach seinem Belieben über ihre Zeit, wenn er die Kinder nicht wie verabredet abholt; dieses Bedürfnis, Herr ihrer Zeitplanung zu sein, verbirgt sie vielleicht hinter der Forderung, der Vater solle auf einen Teil seines Besuchsrechts verzichten.

Sind einmal mit Hilfe des Mediators die Interessen und Bedürfnisse, die hinter den jeweiligen Ausgangspositionen stehen, herausgearbeitet, so können die Konfliktparteien nun nach Lösungen suchen, die ihren Wünschen für die zukünftige Gestaltung ihrer Beziehungen gerecht werden. Dabei sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt; vom klassischen Kompromiss bis hin zu ganz unkonventionellen Lösungen ist alles erlaubt, was beiden Seiten sinnvoll und machbar erscheint.

Der Mediator hält sich dabei (im Unterschied zum Schlichter bei Tarifkonflikten oder bei Schlichtungsstellen) völlig mit eigenen Vorschlägen oder Bewertungen zurück. Er trägt ausschließlich dafür Sorge, dass Bedenken und Vorbehalte auf den Tisch kommen und ausgeräumt werden, bevor es zu einer ‒ meist schriftlichen ‒ Vereinbarung kommt. Er unterstützt die Parteien in ihrer Verhandlung, aber die Verantwortung für das ergebnis tragen sie selbst.

Ariane Brena. 2000

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert